Ostdeutsche
Abwasserzweckverbände in Sachsen, Sachsen Anhalt und Thüringen verlangen
offenbar unrechtmäßig hohe Beiträge von ihren Bürgern.
Auch der Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden verlangt viel
zu viel, vermutete eine Bürgerinitiative und beantragte Einsicht in die
Bilanzen und Gebührenkalkulation des Zweckverbandes. Mit Hilfe von
Experten überprüften sie die Unterlagen des Verbandes und stießen auf
mehrere Ungereimtheiten:
Das Klärwerk in Gotha wurde für 180.000 Einwohner gebaut, obwohl hier
nur 87.000 Einwohner leben. Wasser und Abwasser kosten insgesamt über
4,37 Euro (8,75DM)pro Kubikmeter. Hinzu kommt eine jährlich Grundgebühr
von ca. 162,07 Euro (317,-DM). Die Investitionen für Klärwerk und
Kanalisation wurden bereits zu 81 Prozent durch Fördermittel und Gebühren
gedeckt. Gleichzeitig plant der Zweckverband, die Investitionskosten von
den Grundstücksbesitzern durch Anschlussbeiträge wieder hereinzuholen,
und zwar zu 52 Prozent. Das hieße, der Zweckverband kassiert mehr als er
überhaupt benötigt.
Im Auftrag des
Zweckverbandes betreiben die Stadtwerke Gotha das Klärwerk. Sie sind der
sogenannte "Geschäftsbesorger", stellen das Personal für das
Klärwerk und stellen die Rechnungen. Die Kosten dieser Geschäftsbesorgung
sind jedoch ungewöhnlich hoch. Der Verwaltungsaufwand für ein Kubikmeter
Abwasser kostet die Bürger 1,31 Euro. In Gera fallen im Vergleich nur
0,56 Euro pro Kubikmeter an, in Pößneck sogar nur 0,49 Euro.
Zudem hat der
Abwasserzweckverband Gotha Kanalanschlussbeiträge von rund 25,92
Millionen Euro Grundstückbesitzern gefordert. Merkwürdigerweise verfügt
der Verband über Geldanlagen in fast der gleichen Höhe. 26,23 Millionen
Euro wurden auf Festgeldkonten geparkt.
Die Geschäftsführung
des Zweckverbandes Gotha hatte einen Kredit von annähernd 65 Millionen
Euro aufgenommen. Drei Viertel des Kredits (ca. 50 Millionen Euro) wären
nicht nötig gewesen, wenn die Mitgliedskommunen ihren Pflichtanteil am
Abwasserverband wie vorgeschrieben auch eingezahlt hätten. So aber
entlasteten die Gemeinden ihre eigenen Haushalte zu Lasten der Gebührenzahler,
die jetzt die dadurch entstehenden Kreditkosten über die erhöhten Gebühren
finanzieren müssen.
Dem Hamburger
Kommunalrechtsexperten Jürgen Schacht, dem die Rechercheergebnisse der
Gothaer Bürgerinitiative vorgelegt wurden, sagte: "Ein
strafrechtlicher Anfangsverdacht im Hinblick auf Untreue liegt in solchen
Fällen vor. Und ich denke, die Bürgerinitiative sollte den Fall der
Staatsanwaltschaft übergeben."
Gotha ist nach
Recherchen der Umschau kein Einzelfall. Auch in den thüringischen
Gemeinden Gera, Kahla, Pößneck, Sonneberg und Hermsdorf wurden durch Bürgerinitiativen
vergleichbare Fehlkalkulationen in den Unterlagen festgestellt. Verdacht
bestehe auch in Sachsen in den Gemeinden Heidenau, Oberrodewitz, Großröhrsdorf,
Delitzsch, Groitzsch, Borna und Klingenthal. In Sachsen Anhalt in der
Gegend um Pratau und Bad Schmiedeberg sowie in Wittenberg und Hohenthurm
bei Halle.
Auch die kleine Rhöngemeinde
Melpers an der thüringisch-bayerischen Grenze erlebt derzeit mit welchem
Einfallsreichtum Bürgern zu hohe Abwassergebühren abverlangt werden.
Das einstige Grenzdorf baute gleich nach der Grenzöffnung eine
Abwasserleitung nach Bayern. Hier in diesem Klärwerk wird das Abwasser für
0,77 Euro pro qm geklärt. Die Bayern dürfen aber den Bürgern von
Melpers nicht einfach eine Abwasserrechnung ins Haus schicken. Für die Thüringer
Behörden gehört Melpers nämlich zum Abwasserzweckverband "Hohe Rhön"
auf Thüringer Seite. Nur die dürfen die Rechnung stellen. Und nun
passiert folgendes:
Das Abwasser fließt nach Bayern, wird dort für ca. 77 Cent pro
Kubikmeter geklärt. Die Bayern schicken die Rechnung zum Verband
"Hohe Rhön" nach Thüringen und dort werden aus 77 Cent 2,72
Euro. Begründung: Die Melperser sollen auch für das Klärwerk auf Thüringer
Seite zahlen, obwohl sie mit dem nun überhaupt nichts zu tun haben. Zur
Begründung nennt das Landratsamt, dass in einem Verbandsgebiet nicht zwei
unterschiedliche Gebührenkalkulationen gelten können. Zudem können die
Bürger solidarisch zur Mitfinanzierung des gesamten Verbandsgebietes
herangezogen werden.
Ein Irrtum, denn laut Rechtssprechung dürfen in einem Zweckverbandsgebiet
durchaus unterschiedliche Gebühren erhoben werden.
In Thüringen geht
seit einem Jahr das Innenministerium mit sogenannten Tiefenprüfungen den
Kalkulationen der Zweckverbände auf dem Grund.
Nur in wenigen Fällen - so Innenminister Köckert - dürften Bürger
jedoch auf Gebührensenkungen hoffen. Die Thüringer Bürgerallianz gegen
hohe Kommunalabgaben betrachtet diese Prüfungen kritisch und zweifeln an
deren Objektivität. Sie setzen auf eigene Recherchen und wollen dem
Problem mit weiteren Analysen auf den Grund gehen.
Adressen und Links:
Bürgerinitiativen
Soziales Sachsen e.V. (BISS e.V.)
Forstweg 48
09599 Freiberg
Tel.: 03731/ 69 61 30
Fax: 03731/ 69 61 20
E-Mail: Info@BISSev.de
Internet: www.BISSeV.de
Thüringer Bürgerallianz
gegen hohe Kommunalabgaben e.V.
Wolfgang Kleindienst (stellvertr. Landesvorsitzender)
07381 Pößneck
Hohe Straße 13
Tel. 03647 423223
Fax 03647 442046
Firma: 03671 504520, Funk 0179 4992924
E-Mail: kleindienst@birso.de
Internet: www.birso.de
Kommunalfenster
AG i.G.
Infos über Kommunalpolitik, über Abzockerei und Bestechung
http://www.kommunalfenster.de/tthema/thema200.htm
Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden
http://www.stawigo.de/wazv-gth.htm
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