vom 05.03.02

Abwasser-Ärger wie viele Ostdeutsche Bürger durch Bilanztricks der Behörden abkassiert werden

 

Ostdeutsche Abwasserzweckverbände in Sachsen, Sachsen Anhalt und Thüringen verlangen offenbar unrechtmäßig hohe Beiträge von ihren Bürgern.
Auch der Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden verlangt viel zu viel, vermutete eine Bürgerinitiative und beantragte Einsicht in die Bilanzen und Gebührenkalkulation des Zweckverbandes. Mit Hilfe von Experten überprüften sie die Unterlagen des Verbandes und stießen auf mehrere Ungereimtheiten:
Das Klärwerk in Gotha wurde für 180.000 Einwohner gebaut, obwohl hier nur 87.000 Einwohner leben. Wasser und Abwasser kosten insgesamt über 4,37 Euro (8,75DM)pro Kubikmeter. Hinzu kommt eine jährlich Grundgebühr von ca. 162,07 Euro (317,-DM). Die Investitionen für Klärwerk und Kanalisation wurden bereits zu 81 Prozent durch Fördermittel und Gebühren gedeckt. Gleichzeitig plant der Zweckverband, die Investitionskosten von den Grundstücksbesitzern durch Anschlussbeiträge wieder hereinzuholen, und zwar zu 52 Prozent. Das hieße, der Zweckverband kassiert mehr als er überhaupt benötigt.

Im Auftrag des Zweckverbandes betreiben die Stadtwerke Gotha das Klärwerk. Sie sind der sogenannte "Geschäftsbesorger", stellen das Personal für das Klärwerk und stellen die Rechnungen. Die Kosten dieser Geschäftsbesorgung sind jedoch ungewöhnlich hoch. Der Verwaltungsaufwand für ein Kubikmeter Abwasser kostet die Bürger 1,31 Euro. In Gera fallen im Vergleich nur 0,56 Euro pro Kubikmeter an, in Pößneck sogar nur 0,49 Euro.

Zudem hat der Abwasserzweckverband Gotha Kanalanschlussbeiträge von rund 25,92 Millionen Euro Grundstückbesitzern gefordert. Merkwürdigerweise verfügt der Verband über Geldanlagen in fast der gleichen Höhe. 26,23 Millionen Euro wurden auf Festgeldkonten geparkt.

Die Geschäftsführung des Zweckverbandes Gotha hatte einen Kredit von annähernd 65 Millionen Euro aufgenommen. Drei Viertel des Kredits (ca. 50 Millionen Euro) wären nicht nötig gewesen, wenn die Mitgliedskommunen ihren Pflichtanteil am Abwasserverband wie vorgeschrieben auch eingezahlt hätten. So aber entlasteten die Gemeinden ihre eigenen Haushalte zu Lasten der Gebührenzahler, die jetzt die dadurch entstehenden Kreditkosten über die erhöhten Gebühren finanzieren müssen.

Dem Hamburger Kommunalrechtsexperten Jürgen Schacht, dem die Rechercheergebnisse der Gothaer Bürgerinitiative vorgelegt wurden, sagte: "Ein strafrechtlicher Anfangsverdacht im Hinblick auf Untreue liegt in solchen Fällen vor. Und ich denke, die Bürgerinitiative sollte den Fall der Staatsanwaltschaft übergeben."

Gotha ist nach Recherchen der Umschau kein Einzelfall. Auch in den thüringischen Gemeinden Gera, Kahla, Pößneck, Sonneberg und Hermsdorf wurden durch Bürgerinitiativen vergleichbare Fehlkalkulationen in den Unterlagen festgestellt. Verdacht bestehe auch in Sachsen in den Gemeinden Heidenau, Oberrodewitz, Großröhrsdorf, Delitzsch, Groitzsch, Borna und Klingenthal. In Sachsen Anhalt in der Gegend um Pratau und Bad Schmiedeberg sowie in Wittenberg und Hohenthurm bei Halle.

Auch die kleine Rhöngemeinde Melpers an der thüringisch-bayerischen Grenze erlebt derzeit mit welchem Einfallsreichtum Bürgern zu hohe Abwassergebühren abverlangt werden.
Das einstige Grenzdorf baute gleich nach der Grenzöffnung eine Abwasserleitung nach Bayern. Hier in diesem Klärwerk wird das Abwasser für 0,77 Euro pro qm geklärt. Die Bayern dürfen aber den Bürgern von Melpers nicht einfach eine Abwasserrechnung ins Haus schicken. Für die Thüringer Behörden gehört Melpers nämlich zum Abwasserzweckverband "Hohe Rhön" auf Thüringer Seite. Nur die dürfen die Rechnung stellen. Und nun passiert folgendes:
Das Abwasser fließt nach Bayern, wird dort für ca. 77 Cent pro Kubikmeter geklärt. Die Bayern schicken die Rechnung zum Verband "Hohe Rhön" nach Thüringen und dort werden aus 77 Cent 2,72 Euro. Begründung: Die Melperser sollen auch für das Klärwerk auf Thüringer Seite zahlen, obwohl sie mit dem nun überhaupt nichts zu tun haben. Zur Begründung nennt das Landratsamt, dass in einem Verbandsgebiet nicht zwei unterschiedliche Gebührenkalkulationen gelten können. Zudem können die Bürger solidarisch zur Mitfinanzierung des gesamten Verbandsgebietes herangezogen werden.
Ein Irrtum, denn laut Rechtssprechung dürfen in einem Zweckverbandsgebiet durchaus unterschiedliche Gebühren erhoben werden.

In Thüringen geht seit einem Jahr das Innenministerium mit sogenannten Tiefenprüfungen den Kalkulationen der Zweckverbände auf dem Grund.
Nur in wenigen Fällen - so Innenminister Köckert - dürften Bürger jedoch auf Gebührensenkungen hoffen. Die Thüringer Bürgerallianz gegen hohe Kommunalabgaben betrachtet diese Prüfungen kritisch und zweifeln an deren Objektivität. Sie setzen auf eigene Recherchen und wollen dem Problem mit weiteren Analysen auf den Grund gehen.

Adressen und Links:

Bürgerinitiativen Soziales Sachsen e.V. (BISS e.V.)
Forstweg 48
09599 Freiberg
Tel.: 03731/ 69 61 30
Fax: 03731/ 69 61 20
E-Mail: Info@BISSev.de
Internet: www.BISSeV.de

Thüringer Bürgerallianz gegen hohe Kommunalabgaben e.V.
Wolfgang Kleindienst (stellvertr. Landesvorsitzender)
07381 Pößneck
Hohe Straße 13
Tel. 03647 423223
Fax 03647 442046
Firma: 03671 504520, Funk 0179 4992924
E-Mail: kleindienst@birso.de
Internet: www.birso.de

Kommunalfenster AG i.G.
Infos über Kommunalpolitik, über Abzockerei und Bestechung
http://www.kommunalfenster.de/tthema/thema200.htm


Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden
http://www.stawigo.de/wazv-gth.htm

 

Bürgerinitiative gegen überhöhte Kommunalabgaben im Landkreis Ludwigslust e.V.
Spenden-/ Vereinskonto Nr. 1530 000 994, Kreissparkasse Ludwigslust, BLZ 140 520 00
1. Vorsitzender Dr. Hans-Jürgen Neiding, Gartenstr. 4, 19303 Tewswoos, Tel 038759/3040
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