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Rechtsmittel 4

2. Gründungsfehler bei Zweckverbänden führen nicht zur Rechtsunwirksamkeit von Beitrags- und Gebührensatzungen 

Eine Vielzahl von Widersprüchen und Anfechtungsklagen im Beitrags- und Gebührenrecht wurden u.a. damit begründet, daß die Zweckverbände der Wasserver- und Abwasserentsorgung in Thüringen nicht ordnungsgemäß gegründet wurden. Insbesondere der Erlaß der Verbandssatzungen erfolgte nicht entsprechend den gesetzlichen Grundlagen. Daraus wurde der Schluß abgeleitet, daß ein Verband, der nicht ordnungsgemäß gegründet wurde, auch nicht berechtigt ist, entsprechende Beitrags- und Gebührensatzungen zu lassen. In der Folge wäre somit auch eine Beitrags- und Gebührenbescheidung nicht möglich.

Die Prüfungen der Aufgabenträger (Zweckverbände), die u.a. im Auftrag des Thüringer Innenministeriums durchgeführt wurden, haben ergeben, daß tatsächlich in vielen Fällen die Verbandsgründung nicht ordnungsgemäß erfolgte.

Mit Beschluß vom 15.07.99 (AZ: 4 ZEO 978/98) hat aber nunmehr das Thüringer Oberverwaltungsgericht (ThürOVG) festgestellt, daß etwaige Fehler bei der Gründung eines Zweckverbandes oder bei der Vereinbarung der Verbandssatzung die Rechtmäßigkeit des Beitrags- und Gebührenbescheides eines kommunalen Zweckverbandes in aller Regel nicht berühren. 

Die rechtliche Existenz eines Zweckverbandes hänge in Thüringen allein von der Bekanntmachung der Satzung und ihrer Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde ab. § 19 (1) Satz 3 Thüringer Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (ThürGKG) ist im systematischen Zusammenhang mit § 19 (1) Satz 4 ThürGKG dahingehend auszulegen, daß die Bekanntmachung der Zweckverbandssatzung und ihrer Genehmigung konstitutiv wirkt und den Zweckverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Entstehung bringt (Leitsatz 2 der Entscheidung). Danach könne der Zweckverband nicht mehr rückwirkend als nichtig angesehen werden, selbst wenn später Fehler festgestellt werden. Mit dieser Entscheidung grenzt sich das ThürOVG von der Rechtsprechung in den anderen neuen Bundesländern ab.

Für die Prüfung von Beitrags- und Gebührenbescheiden im Rechtsmittelverfahren bedeutet dies, daß die Widerspruchsbehörden (Landratsämter, ThürLVA) und die Gerichte Fehlern bei der Gründung von Zweckverbänden nicht im Einzelnen nachzugehen brauchen. Die Prüfung kann sich darauf beschränken, ob eine den Vorschriften entsprechende Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung vorliegt.

 

Das Gericht begründet seine Entscheidung u.a. wie folgt:

 „...Die Relevanz der vorgetragenen Rechtsverstöße bei der Gründung des Antragsgegners (Verband) und bei Erlaß seiner Verbandssatzung hängt entscheidend davon ab, ob die ordnungsgemäße Gründung eines Zweckverbandes oder die Rechtmäßigkeit seiner Verbandssatzung im Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Beitrags- oder Gebührenbescheides zu überprüfen ist. Dies wird in der Rechtsprechung teilweise mit dem Hinweis darauf bejaht, die wirksame Bildung eines Zweckverbandes sei Voraussetzung für seine Kompetenz, Beitrags- und Gebührensatzungen erlassen und Abgaben erheben zu können (vergl. VG Dessau, Urteil vom 31.07.1997 – A 1 K 1659/96).

In diesem Sinne haben die OVG anderer neuer Bundesländer verschiedentlich auch in Normenkontrollverfahren über die Gültigkeit von Beitrags- und Gebührensatzungen kommunaler Zweckverbände deren Nichtigkeit mit der wirksamen Gründung des jeweiligen Zweckverbandes oder der Unwirksamkeit der Verbandssatzung begründet....

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides und der Beitrags- und Gebührensatzung eines Zweckverbandes ist, daß der Zweckverband zu den von ihm wahrgenommenen hoheitlichen Aufgaben ermächtigt ist. Die Satzungshoheit und die Kompetenz zum Erlaß von Verwaltungsakten obliegen einem Zweckverband nur dann, wenn er als Körperschaft des öffentlichen Rechts rechtlich existent geworden und seither zur Erfüllung der Aufgaben ermächtigt ist, die ihm die Verbandsmitglieder übertragen haben.

Teilweise wird davon ausgegangen, daß hoheitliche Aufgaben und Kompetenzen grundsätzlich nur dann auf den Zweckverband übergehen, wenn alle formellen und materiellen Gründungsvoraussetzungen eingehalten worden sind....Davon kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn sich dieses Erfordernis aus den jeweils anzuwendenden Rechtsvorschriften ergibt. ... Nach der für kommunale Zweckverbände in Thüringen einschlägigen Vorschrift des § 19 (1) Satz 3 ThürGKG entsteht ein Zweckverband am Tag nach der Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung, wenn in der Verbandssatzung kein späterer Zeitpunkt bestimmt ist. Diese Vorschrift ist im systematischen Zusammenhang mit § 19 (19 Satz 4 ThürGKG dahingehend auszulegen, daß die Bekanntmachung der Zweckverbandssatzung und ihre Genehmigung konstitutiv wirkt und den Zweckverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Entstehung bringt. Daraus folgt, daß die rechtliche Existenz eines Zweckverbandes allein von der rechtsbegründeten Bekanntmachung abhängt.

Etwaige Rechtsverstöße bei der Gründung des Zweckverbandes oder Mängel der Verbandssatzung haben dann keine Auswirkungen für die rechtliche Existenz eines Zweckverbandes. Dieser entsteht mit dem Inhalt der bekanntgemachten Verbandssatzung.

Die für die Beurteilung der rechtlichen Existenz eines Zweckverbandes in Thüringen einschlägige Vorschrift des § 19 (1) Satz 3 ThürGKG ist im Hinblick auf die Bedeutung und rechtlichen Konsequenzen des Begriffs „entstehen“ nicht eindeutig.  Der Wortlaut der Vorschrift läßt unterschiedliche Interpretationen zu.

Einerseits könnte der § 19 (1) Satz 3 ThürGKG in einem rein zeitlichen Sinne dergestalt verstanden werden, daß der Zweckverband nicht bereits durch die Vereinbarung der Verbandssatzung i.S.d. § 17 ThürGKG oder die rechtsaufsichtsbehördliche Genehmigung gemäß § 18 ThürGKG rechtlich existent wird, sondern grundsätzlich erst am Tag nach der Bekanntmachung von Verbandssatzung und Genehmigung. Demnach wäre die Bekanntmachung nach der Vereinbarung einer Verbandssatzung und der Genehmigung als letzte von drei maßgeblichen Entstehungsvoraussetzungen anzusehen (so etwa VG Gera, Beschluß vom 10.10.96 – 2 E 130/96 GE; Uckel, Hauth, Hoffmann, Kommunalrecht in Thüringen, Kommentar zur ThürKO, § 17, Rn. 1 zu § 19 ThürGKG).

Andererseits knüpft § 19 (1) Satz 3 ThürGKG im Hinblick auf das Entstehen des Zweckverbandes nicht an die Wirksamkeit der vereinbarten Verbandssatzung oder die Einhaltung der Vorschriften über das Gründungsverfahren an, sondern allein an die Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung als für die Entstehung maßgeblichen Rechtsakt. ... Die Bedeutung der Bekanntmachung i.S.d. § 19 (1) Satz 3 ThürGKG als konstitutives Element für die rechtlich verbindliche Entstehung des Zweckverbandes erschließt sich insbesondere aus dem rechtlichen Zusammenhang dieser Vorschrift mit der des § 19 (1) Satz 4 ThürGKG. Danach können Rechtsverstöße bei der Gründung des Zweckverbandes nach der Bekanntmachung nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden. Hierzu wird in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfes (DS 1/788, S. 28, Ziffer 2 zu § 19 ThürGKG a.F.) ausgeführt, § 19 (1) Satz 4 ThürGKG a.F. bestimme im Interesse der Rechtssicherheit, daß Rechtsverstöße bei der Gründung des Zweckverbandes dann nicht mehr zu einer rückwirkenden Nichtigkeit der Gründung führen können, wenn durch die ordnungsgemäße Bekanntmachung ein Rechtsschein nach außen gesetzt wurde. Daraus läßt sich ableiten, daß § 19 (1) Satz 4 ThürGKG nicht als Heilungsvorschrift konzipiert ist, durch die eine Geltendmachung an sich beachtlicher Fehler bei der Gründung eines Zweckverbandes eingeschränkt werden soll. Vielmehr setzt § 19 (19 Satz 4 ThürGKG die konstitutive Wirkung der Bekanntmachung i.S.d. § 19 (1) Satz 3 ThürGKG voraus. Denn eine rechtsbegründende Bekanntmachung läßt den Zweckverband mit dem Inhalt der bekanntgemachten Verbandssatzung entstehen, ohne das Rechtsverstöße bei der Gründung des Zweckverbandes rückwirkend zu dessen Nichtigkeit führen können.

Aus der amtlichen Begründung wird mithin deutlich, daß der Gesetzgeber mit dem Erfordernis der Bekanntgabe der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung in § 19 (1) Satz 1 und 3 ThürGKG nicht nur dem aus dem Rechtsstaatsprinzip erwachsenen Grundsatz der Publizität staatlicher Normen genügen wollte, sondern die Bekanntmachung als wesentlich für die rechtsverbindliche Konstituierung des Zweckverbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts ansieht. ...

In Ziffer 2 der amtlichen Begründung zu § 19 (1) Satz 4 ThürGKG wird hierzu ausgeführt, daß derjenige der durch Rechtsverstöße bei der Gründung in seinem Recht verletzt ist, dies gleichwohl mit Wirkung für die Zukunft geltend machen und damit die Auflösung herbeiführen kann. Damit wird verdeutlicht, daß die Geltendmachung von Gründungsmängeln für diejenigen, die durch Rechtsverstöße bei der Gründung in ihren Rechten verletzt sind, trotz der konstitutiven Wirkung der Bekanntmachung nach § 19 (19 Satz 3 ThürGKG mit Wirkung für die Zukunft möglich bleibt und nicht vollständig ausgeschlossen ist. Dies gilt insbesondere für die Verbandsmitglieder, die im Gegensatz zu den nicht durch Verbandsgründung betroffenen Beitrags- und Gebührenpflichtigen, durch die Verbandsgründung und die Übertragung von Hoheitsrechten in eigenen Rechten verletzt sein können (vergl. hierzu Urteil ThürOVG vom 03.02.99 – 4 N 547/98) ...“

Gerade der letzte Teil dieser Begründung ist für Rechtsmittelverfahren von Bedeutung. Beitrags- und Gebührenpflichtige haben demnach kein Klagerecht gegen die Verbandsgründung, weil diese durch die Verbandsgründung in ihren Rechten nicht betroffen sind.

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Kommunalpolitisches Forum Thüringen e.V.


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