Abwasser-Skandal - Wie ein Ministerium
Bilanztricks anordnete
Abwasserzweckverbände
in Thüringen haben von ihren Gebührenzahlern über Jahre möglicherweise
unrechtmäßig Beiträge in mehrstelliger Millionenhöhe für Altanlagen
aus DDR-Zeiten verlangt - und das offensichtlich aufgrund einer Anweisung
des Thüringer Innenministeriums.
Die Altanlagen
wurden den Zweckverbänden nach der Wende kostenlos überlassen. Als
Geschenke, die sie keinen Pfennig gekostet hatten, durften die Anlangen
nicht auf die Gebührenzahler umgelegt werden. Dies geht nur bei neuen
Anlagen, für die Konkrete Ausgaben veranschlagt werden. Will ein
Zweckverband solche Kosten in Form von Gebühren und Beiträgen auf den Bürger
umlegen, muss er sie in einer so genannten Globalkalkulation angeben.
Doch im Jahre 1997
bekamen auch die Altanlagen wieder einen Wert und flossen in die
Globalberechnungen ein - und zwar durch eine Anweisung des thüringischen
Innenministeriums. Dies geht aus einem vertraulichen Rundschreiben des
Ministeriums hervor, das der Umschau-Redaktion vorliegt. Darin werden die
Abwasserzweckverbände aufgefordert, in der Kalkulation alle "noch
genutzten Anlagen zu berücksichtigen. Hierunter fallen auch die
Altanlagen."
Ein Beispiel: Der
Abwasserzweckverband Sonneberg hat tatsächliche Investitionen von
98Millionen Euro, die er dem Bürger in Rechnung stellen darf. Tatsächlich
will er aber 118 Millionen Euro kassieren. Die zusätzlichen 20 Millionen
kamen auf Anweisung des Innenministeriums für die Altanlagen in die
Bilanz. Dass die Abwassergebühren zu hoch sind, ahnten in Thüringen
schon viele. Doch die meisten gaben allein den Zweckverbänden die Schuld.
Dass diese sich auf eine Anweisung des Innenministeriums berufen konnten,
ahnte dagegen keiner. Erst eine Anwältin und ihr Mann, ein geprüfter
Wirtschaftsprüfer, kamen im Auftrag von Bürgergruppen den Bilanztricks
auf die Spur.
Der thüringische
Innenminister Christian Köckert (CDU) räumte gegenüber der Umschau ein,
dass erst eine neue Richtlinie seines Hauses die Vorgehensweise stoppte,
bereits bezahlte Anlagen noch einmal in die Kalkulation einzustellen. Alle
Zweckverbände seien zudem aufgefordert worden, neue Berechnungen ohne die
ungerechtfertigt eingestellten Werte der Altanlagen vorzulegen. Fraglich
ist, ob es Erstattungen ungerechtfertigter Gebühren an die Beitragszahler
geben wird. Köckert sagte, bei Verbänden, die in der Vergangenheit
kostendeckend gearbeitet haben, könnten durch diese Neukalkulation zukünftige
Gebührensenkungen möglich sein.
Wir haben für
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