Abwasser: Anschluß-
und Benutzungszwang – eine Kann-Bestimmung
In
seiner “Bürgerinfo
Abwasserbeseitigung”
veröffentlicht das Brandenburger Innenministerium zum Anschluß- und
Benutzungszwang folgende Passage:
“Um
die Aufgabe der Abwasserbeseitigung durchführen zu können, haben die
Aufgabenträger das Recht und die Pflicht einen Anschluss- und
Benutzungszwang an die Einrichtung der Abwasserbeseitigung per Satzung
– in der Regel ist dies die Entwässerungssatzung – durchzusetzen.
Ausdrücklich bestimmt der §15 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das
Land Brandenburg (GO), dass ein Anschluss- und Benutzungszwang
durchzusetzen ist, wenn es zur Einhaltung geltender
Umweltschutzbestimmungen erforderlich ist. Der Anschluss- und
Benutzungszwang erstreckt sich sowohl auf die zentrale
(leitungsgebundene) als auch dezentrale (abflußlose Gruben, Kleinkläranlagen)
Abwasserbeseitigung. Das Anschluss- und Benutzungsrecht muss
allerdings auch in der Satzung verankert sein. Gleichzeitig kann die
Satzung aber auch Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang
zulassen. ...”
Der
Aussage muß in dieser Form widersprochen werden. Denn die
Formulierung im § 15 (1) GO Brandenburg lautet:
“Die
Gemeinde kann
aus Gründen des öffentlichen Wohls durch Satzung für die
Grundstücke ihres Gebiets den Anschluß an die Wasserleitung,
Kanalisation, Straßenreinigung und ähnliche der Gesundheit dienende
Einrichtungen (Anschlußzwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen
(Benutzungszwang) vorschreiben.
Die Gemeinde ist verpflichtet, den Anschluß- und Benutzungszwang
durchzusetzen, wenn es zur Einhaltung geltender
Umweltschutzbestimmungen erforderlich ist. Andere gesetzliche
Bestimmungen, die den Anschluß- und Benutzungszwang regeln, bleiben
unberührt”
Dreierlei
wird hieraus ersichtlich:
1. Es
handelt sich im wesentlichen um eine “Kann”-Bestimmung. Die
Pflicht zur Durchsetzung des Anschluß- und Benutzungszwanges besteht
für die Gemeinde nur, wenn die Einhaltung der bestehenden
Umweltbestimmungen anders nicht zu gewährleisten ist.
2.
Die Publikation weicht in wesentlichen Teilen vom Gesetzestext ab.
“Kanalisation” wird durch “Einrichtung der
Abwasserbeseitigung” ersetzt. Anschluß- und Benutzungszwang wird
auch für Kleinkläranlagen und abflußlose Gruben angesetzt. Es fragt
sich, welchen Sinn es machen sollte, Kleinkläranlagen, die trotz
Zwang betrieben werden, von diesem Zwang befreien zu können. Anschluß-
und Benutzungszwang ist im §15 GO vom Gesetzgeber eindeutig auf
Kanalisation bezogen. Ein derart lockerer Umgang mit Gesetzestexten
ist allerdings bei den Publizisten des Innenministeriums nicht neu.
3.
Anschluß- und Benutzungszwang kann ausschließlich
aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes vorgeschrieben
werden. Andere Gründe des öffentlichen Wohls gibt es hierfür nicht.
Das wurde uns auch am runden Tisch im Umweltministerium am 12. Oktober
1999 bestätigt.
Letzterem
trägt die Gemeindeordnung auch Rechnung, indem sie in §15 (2) ausführt:
“Die
Satzung kann Ausnahmen vom Anschluß- und Benutzungszwang zulassen.
Dies gilt insbesondere, wenn auf Grundstücken Anlagen betrieben
werden, die einen höheren Umweltstandard aufweisen als die von der
Gemeinde vorgesehene Einrichtung. Die Satzung kann den Zwang auch auf
bestimmte Teile des Gemeindegebietes und auf bestimmte Gruppen von
Grundstücken beschränken.”
Vergleichen wir nun den Umweltstandard verschiedener
Varianten der Abwasserbehandlung, so stellen wir fest, daß die in
vielen Orten und Verbandsgebieten erstellten zentralen
Kläranlagen
keineswegs die umweltfreundlichsten sind. Entwässerung der Landschaft
und Eintrag von Schadstoffen und resistenten Erregern in die Fließgewässer
“zeichnen” diese Anlagen in aller Regel “aus”.
Dezentrale
Anlagen
der Abwasserbehandlung (nicht “-beseitigung”), wie es sie schon
seit langem gibt, entsprechen den geforderten Standards des Umwelt-
und Seuchenschutzes viel besser. Sie belassen das Wasser in der
Landschaft und verhindern die weltweite Umverteilung von Schadstoffen
und Erregern. Ein wirksamer Umwelt- und Seuchenschutz kann damit
garantiert werden.
Anzumerken ist weiterhin, daß es sich bei dem Glauben, man könne
mittels des Anschluß- und Benutzungszwanges die Umweltverschmutzung
unter Kontrolle bringen, um einen fatalen Irrtum handelt. In den
Kerngebieten der Städte bleibt den Bürgern zumeist eh‘ keine Wahl,
als in die Kanalisation einzuleiten. Durch die mangelhafte Reinigungsmöglichkeiten
in den zentralen Klärwerken und die Regenüberläufe der
Kanalisationen werden die Schadstoffe verstärkt in die Flüsse und
Randmeere geleitet getreu dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Bei
Kleinkläranlagen gibt es dieses technische Manko nicht.
Kleinkläranlagen
haben zudem eine sehr heilsame Wirkung gegen
den Mißbrauch des Anschluß- und Benutzungszwanges.
Durch diesen wird nämlich ein Monopol des jeweiligen Aufgabenträgers
(Gemeinde oder Zweckverband) begründet, welches die Durchsetzung der
Marktwirtschaft auf diesem Sektor verhindert. Sozial- und Umweltverträglichkeit,
wie auch Wirtschaftlichkeit der Abwasserbehandlung werden durch diesen
Umgang mit dem Anschluß- und Benutzungszwang sehr in Frage gestellt,
ja verhindert.
Letztlich
ist §15 (3) GO einzuhalten:
“Satzungen
entsprechend Absatz 1 sollen die wirtschaftliche und soziale Lage der
Betroffenen berücksichtigen und angemessene Übergangsfristen
enthalten.”
Oberster
Grundsatz
muß es sein, daß der Anschluß-
und Benutzungszwang ausschließlich zu Zwecken des Umwelt- und
Gesundheitsschutzes maßvoll angewandt
wird. Andere, insbesondere fiskalische Gründe dürfen hierfür keine
Rolle spielen. In der Praxis vieler Aufgabenträger, insbesondere
Zweckverbände, sieht das jedoch oft ganz anders aus.
Unsere
Forderung
sollte daher sein, den
Anschluß- und Benutzungszwang an die Kanalisation auf das absolut
notwendige Minimum zu beschränken und ihn nur anzuwenden, wenn keine
realistischen Alternativen zur Verfügung stehen.
Bernd
Schmidt für den Verband der Eigenheim- und Grundstücksbesitzer Land
Brandenburg 1990 e.V.
Carl v. Ossietzky-Str. 32
14471 Potsdam
Siegbert Mahal für den Bundesverband IDA (Interessengemeinschaft
Dezentrale Abwasserbehandlung)
Wiershausen 1
37589
Wiershausen
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